Geschichte

Ursprünge der Kevelaer-Wallfahrt

1538 starb der letzte geldrische Herzog Karl von Egmont. Die Stände sprachen sich für den klevischen Erbprinzen als Nachfolger aus, der 1539 als Herog Wilhelm V. bereits die Herrschaft in Jülich, Kleve, Berg, Mark und Ravensberg übernahm. Der Erwerb von Geldern hätte ihm eine beherrschende Stellung im Nordwesten des Reiches ermöglicht. Doch konnte er seinen Anspruch nicht durchsetzen, da er damit auf den Widerstand des Hauses Habsburg stieß. Im Geldrischen Erbfolgekrieg (1538-1543) errang Kaiser Karl V. (1519-1556) in der Schlacht bei Düren einen eindeutigen Sieg über Herzog Wilhelm V., der sich im Jahre 1543 im Vertrag von Venlo unterwerfen und zugunsten von Habsburg auf sämtliche geldrische Ansprüche verzichten musste.
Nach der Abdankung Karls V. fiel der von ihm gebildete Burgundische Reichskreis, also auch Geldern, and die spanischen Habsburger. König Philipp II. von Spanien (1556-1598) trat seine Herrschaft in einer Phase heftiger Auseinandersetzungen zwischen dem Katholizismus und den verschiedenen Richtungen des Protestantismus (Lutheraner, Reformierte, usw.) an. Während der Herrschaft des überzeugten Katholiken und leidenschaftlichen Sammlers von Reliquien fielen die nördlichen Provinzen der Niederlande 1581 ganz von Spanien ab und bildeten 1588 die protestantische Republik der Vereinigten Niederlande. Der südliche Teil, zu dem auch Kevelaer gehörte, blieb den Spaniern erhalten und damit katholisch. Die dort als Statthalter eingesetzten Erzherzöge Albert und Isabella Clara Eugenia, die Tochter Philipps II., taten alles in ihren Kräften stehende, um der durch das Konzil von Trient (1545-1563) eingeleiteten katholischen Gegenreformation den Boden zu bereiten und dem Katholizismus damit zum Sieg zu verhelfen. Entscheidende Unterstützung erfuhren sie durch den kurz zuvor durch Ignatius von Loyola (1491-1556) gegründeten Jesuiten-Orden, der sich dem besonderen Dienst der Gottesmutter geweiht hatte. Die Jesuiten förderten die Wallfahrt nach Loreto und begründeten an vielen Orten weitere marianische Pilgerstätten. Auch Wallfahrtsorte mit regionaler Bedeutung wurden neu belebt.

Die Wallfahrt nach Scherpenheuvel

Scherpenheuvel Am Anfang der Wallfahrt zur Trösterin der Betrübten in Kevelaer stand Scherpenheuvel im heutigen Belgien. Dieser Wallfahrtsort war bereits um 1500 entstanden und wurde in der Zeit der Gegenreformation von den Jesuiten gefördert. 1603 führte Erzherzog Albert seinen Kriegserfolg, die Befreiung der von protestantischen Soldaten besetzten Stadt ′s-Hertogenbosch durch katholische Truppen, direkt auf die Fürsprache "Unserer Lieben Frau von Scherpenheuvel" zurück. Der Erzherzog selbst lieferte aus Dankbarkeit einen Vorschlag zu einem Neubau der Kirchenanlage, die Erzherzogin stiftete wertvolle Kleider und Edelsteine für das Gnadenbild und die in Scherpenheuvel gegründete Ordensgemeinschaft der Oratorianer machte aus dem brabantischen Wallfahrtsort ein weit ausstrahlendes religiöses Zentrum. Die Eiche, an der die wundertätige Marienfigur in Scherpenheuvel stand, wurde 1603 im Auftrag des zuständigen Bischofs von Antwerpen gefällt und nach Zichem gebracht, da die zahlreichen Pilger immer wieder kleine Stücke der Rinde und des Holzes als Reliquienersatz abgeschnitten und mitgenommen hatten. Aus dem Holz der Eiche, von der sie einen Teil geschenkt bekam, ließ die Erzherzogin in den Jahren 1605 bis 1608 zahlreiche Gnadenbildkopien anfertigen, die sie an Verwandte, Fürsten, Prinzessinnen und Ordensgemeinschaften verschenkte. Eine dieser Kopien könnte über die Jesuiten in Diest, die in enger Verbindung zu Scherpenheuvel standen, in das Jesuitenkolleg von Luxemburg gekommen sein.

Die Wallfahrt nach Luxemburg

Im Jahre 1613 verlieh Guido, Erzbischof von Rhodus und Apostolischer Nuntius in Brüssel, einen Ablass an alle Pilger, die vor "dem Bild der allerseligsten Jungfrau Maria, das geschnitzt ist aus dem Baume, an dem einst ein anderes wundertätiges Bild derselben allerseligsten Maria hing", beten. Diese Statue war eine der Gnadenbildkopien aus dem Holz der Eiche von Scherpenheuvel. 1624 erhielt sie den noch heute gültigen Titel "Consolatrix Afflictorum": Trösterin der Betrübten. Dort schienen die Anliegen der Bevölkerung, die an der Pest, dem Hunger und den Folgen des 30-jährigen Krieges (1618-1648) litt, besser aufgehoben als bei einer militärisch siegreichen Maria von Scherpenheuvel.
Das Jahr 1640 brachte einen Höhepunkt der Wallfahrt nach Luxemburg. Während für den Zeitraum von 1626 bis 1639 nur 18 Wunderheilungen überliefert sind, werden für 1640 in einem Zeitraum von neun Monaten 34 Heilungen angegeben. Aus Anlass der Feierlichkeiten zur Einweihung der vergrößerten Wallfahrtskappelle in Luxembrug wurde im gleichen Jahr ein Andachtsbildchen herausgegeben, das eine der größten neuzeitlichen religiösen Massenbewegungen in Mitteleuropa auslöste: Die Wallfahrt zur "Consolatrix Afflictorum" nach Kevelaer.

Die Entstehungslegende der Wallfahrt nach Kevelaer

Kevelaer, erstmals am 16. Mai 1300 urkundlich erwähnt, war eine bescheidene Bauerschaft und bildete zusammen mit Keylaer eine eigene Pfarrei. Im Jahre 1561 wies sie 1.000 Kommunikanten auf. Im Niederländischen Unabhängigkeitskrieg, dem so genannten 80-jährigen Krieg (1568-1648), wurde das ganze Land verwüstet und die Bevölkerung zur Flucht in feste Orte gezwungen: 1590 standen in Kevelaer sämtliche Gehöfte leer. Während des 30-jährigen Krieges litt wiederum die ganze Gegend unter dem Durchzug der Soldaten unterschiedlicher Herkunft: Am 1. August 1635 wurde die Schanze, in die sich rund 100 Kevelaerer zurückgezogen hatten, durch kroatische Soldaten erstürmt. Nur drei Bewohner Kevelaers sollen am Leben geblieben sein. Von Herbst 1635 bis März 1637 wütete die Pest am Niederrhein mit außergewöhnlicher Heftigkeit und raffte etwa ein Drittel der Bevölkerung hinweg. 1642 setzte eine verbündete französisch-weimarische Armee bei Wesel über den Rhein, vereinigte sich mit einem kurhessischen Korps und zog raubend und plündernd durch die ganze Region. Vor diesem schrecklichen Hintergrund ist die Entstehung der Wallfahrt nach Kevelaer zu sehen.
In Geldern wohnte damals ein Bürger namens Hendrick Busman, der sich und seine Familie durch einen kleinen Hausiererhandel in den Dörfern der Umgebung ernährte. Im Jahre 1641, kurz vor dem Weihnachtsfest, kam er auf dem Weg von Weeze nach Geldern bei Kevelaer an einem Hagelkreuz vorbei und verrichtete dort seiner Gewohnheit gemäß ein Gebet. Dabei vernahm er eine Stimme, welche ihm zurief: "Op deeze plaats sult gij mij een kapelleken bouwen!" Busman konnte sich zunächst die Stimme nicht erklären und ging weiter. Zwei Tage später kam er wieder and dem Hagelkreuz vorbei und hörte erneut dieselbe Stimme. Als ein drittes Mal an der gleichen Stelle die Aufforderung, ein Kapellchen zu bauen, an ihn erging, verstand er endlich den göttlichen Auftrag und beschloss, von seinen geringen Einnahmen täglich etwas für den Bau der Kapelle zurückzulegen.
Im Folgejahr 1642, einen Monat vor Pfingsten, sah die Frau von Hendrick Busman namens Mechel Schrouse bei Nacht ein großes glänzendes Licht und mitten in diesem Licht ein Heiligenhäuschen, in dem sich ein Andachtsbild befand. Es glich dem, das ihr einige Zeit zuvor von zwei Soldaten angeboten worden war, die zwei Andachtsbildchen der Trösterin der Betrübten von Luxemburg mitgebracht hatten und die für einen zu Kempen im Gefängnis sitzenden kaiserlichen Leutnant bestimmt gewesen waren. Da den Soldaten das Geld ausgegangen war, boten sie Mechel Schrouse eines der Bildchen für 15 Reichspfennige zum Kauf an. Sie erzählte die Geschichte ihrem Mann, der ihr sofort auftrug, die Soldaten aufzusuchen, um eines der beiden Andachtsbildchen zu kaufen. Diese befanden sich aber bereits im Besitz des Leutnants. Erst nach seiner Freilassung überließ er Mechel Schrouse, nachdem sie ihm von ihrer Erscheinung erzählt hatte, eines der Bildchen.
Inzwischen baute Hendrick Busman das Heiligenhäuschen in der Gestalt, wie seine Frau es während ihrer Erscheinung gesehen hatte. In der Woche vor Pfingsten des Jahres 1642 war es fertiggestellt. Busman ließ ein Brettchen anstreichen und das Andachtsbildchen darauf anbringen, so dass es am 1. Juni 1642 durch Pfarrer Johannes Schink im Heiligenhäuschen aufgestellt werden konnte. Schon am selben Tag kam eine große Menschenmenge aus Geldern und anderen Ortschaften und Wunder geschahen, die später aufgezeichnet wurden. Die erste organisierte Wallfahrt nach Kevelaer fand noch im Jahre 1642 von Rees aus statt.
Kevelaer war und ist ein bescheidener Wallfahrtsort. Große Sakralbauten sind nicht vorhanden, die Architektur ist nicht konsequent und beschränkt sich auf einfache Kopien bekannter Wallfahrtsorte. Und das Gnadenbild selbst ist eines der unscheinbarsten Wallfahrtsbilder der Welt überhaupt und stammt noch nicht einmal aus Kevelaer, sonder ist die Kopie (Kupferstich der Trösterin der Betrübten von Luxemburg aus dem Jahr 1640) einer wahrscheinlichen Kopie (Gnadenbild von Luxemburg aus dem Holz der Eiche von Scherpenheuvel) der Muttergottes von Scherpenheuvel. Dennoch, oder gerade deswegen, ist Kevelaer mit jährlich über 800.000 Pilgern der größte Marienwallfahrtsort Nordwesteuropas.

1780 – Die erste Fußwallfahrt Hamborn – Kevelaer

Weder im Hamborner Pfarrarchiv noch in Kevelaer selbst finden sich Aufzeichnungen über das Alter der Hamborner Fußwallfahrt nach Kevelaer. Um einen Anhaltspunkt zu finden, wandte sich der Hamborner Pilgervorstand im Jahre 1903 an Theodor Basten, der damals 70 Jahre alt war und damit zu den ältesten Bürgern Hamborns gehörte. Er war selbst oft nach Kevelaer gepilgert und erinnerte sich, "dass sein Großvater erzählt habe, wie er als Jüngling oftmals mit nach Kevelaer gepilgert sei, bevor er im Jahre 1783 geheiratet habe. Auf diese glaubwürdigen Aussagen gestützt", so berichtet das Protokollbuch der Fußpilger aus dem Jahre 1911 weiter, "hat man annehmen und feststellen müssen, dass die Fußpilger-Prozession mit dem Jahre 1780 angefangen haben muss".
Im Jahre 1780 amtierte Franz Ferdinand Freiherr von Dunckel als Abt von Hamborn. Die Prämonstratenser der 1806 durch den Großherzog von Berg, Joachim Murat, den Schwager Napoleons, aufgehobenen Abtei dürften wohl einen entscheidenden Anteil an der Initiierung der ersten Fußwallfahrt gehabt haben. Über sie heißt es im Protokollbuch der Fußpilger weiter, dass sie "die frommen Patres waren, die Männer in weißen Gewändern voll Entsagung und Demut unserer lieben Gottesmutter dienend". Zur Pfarrei Hamborn gehörte damals das gesamte Gebiet nördlich der Ruhr von Laar über Beeckerwerth, Alsum, Beeck, Meiderich, Ratingsee, Hagenshof, Hamborn, Ostacker, Bruckhausen, Wittfeld, Marxloh, Fahrn, Obermarxloh, Neumühl, Schmidthorst und Buschhausen bis nach Holten.

Die Fußwallfahrt begann am 7. September 1780. Die Pilger zogen von der Hamborner Abteikirche über Aldenrade und Walsum zur Rheinfähre. Nach der Überfahrt nach Orsoy ging es weiter über Budberg, Rheinberg, Alpen, Böninghardt, Kapellen und Wetten nach Kevelaer. Am 8. September 1780, dem Fest Mariae Geburt, waren die Pilger den ganzen Tag über in Kevelaer und beteten an den Wallfahrtsstätten, bevor sie am 9. September 1780 zurück nach Hamborn zogen. Bis 1910 fand die Fußwallfahrt jährlich an diesem Termin, nämlich vom 7. bis zum 9. September, statt. Der etwa 50 km lange Prozessionsweg der Pilger hat sich bis heute nicht wesentlich geändert.

Der althergebrachte Weg der Hamborner Fußpilger nach Kevelaer (Gebetsordnung aus dem Pilgerbuch von 1955)

Von Hamborn bis Orsoy.
[Abteikirche Hamborn / An der Abtei – links in die Jägerstrße – links in die Buschstraße – links in die Duisburger Straße –weiter geradeaus auf die Weseler Straße – links in die Walsumer Straße – weiter geradeaus auf die Hamborner Straße – weiter geradeaus auf die Römerstraße – links in die Theodor-Heuss-Straße – rechts in die Brusbachstraße – links in die Dr.-Wilhelm-Roelen-Straße – weiter geradeaus auf die Rheinstraße – links in die Fährstraße – rechts in die Königstraße – links zur Rheinfähre – mit der Fähre nach Orsoy – der Fährstraße folgen – weiter geradeaus auf die Kuhstraße – weiter geradeaus auf die Kiesendahlstraße – rechts in die Rheinberger Straße/St.-Marien-Hospital]
Die Pilger haben morgens um 5 Uhr ihre Pilgermesse in der Abteikirche. wenn es möglich ist, gehen alle zur heiligen Kommunion. Nach der Pilgermesse ist noch Gelegenheit zum Kaffeetrinken im Abteikeller. Um 6 Uhr mit dem Angusläuten beginnen wir unsere Prozession im Namen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit und zu Ehren der Gottesmutter:
Das erste Gebet: Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste, wie es war im Anfang so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit! Amen.
Maria mit dem Kinde lieb, uns allen deinen Segen gib.
Lied: Gegrüßet seist du Königin.
Freudenreicher Rosenkranz.
Wenn die Teilnehmer von Marxloh sich der Prozession eingliedern, wird der Rosenkranz unterbrochen.
Gemeinsames Wallfahrerlied: In Gottes Namen fahren wir.
Ist der Rosenkranz zu Ende gebetet: Folgen die Muttergottesrufe.
Darauf der schmerzhafte Rosenkranz.
Zwei Lieder.
Auf dem Weg zum Damm und zur Rheinfähre wird gesungen.
Bei der Überfahrt über den Rhein: Lied: Geleite durch die Wellen.
Wenn wir durch Orsoy ziehen, werden die Lieder gesungen:
Maria wir dich grüßen.
Nun Brüder sind wir frohgemut.
Von Orsoy bis Rheinberg.
[der Rheinberger Straße durch Budberg bis Rheinberg folgen – rechts iin die Orsoyer Straße – weiter geradeaus auf den Holzmarkt]
Unterwegs beten wir den Rosenkranz, danach Litanei und Lied.
In Rheinberg ziehen wir singend ein. Die Pilger machen hier eine halbe Stunde Pause.
Von Rheinberg bis Alpen.
[dem Holzmarkt folgen – weiter geradeaus auf die Rheinstraße – weiter geradeaus auf die Xantener Straße – links in die Dr.-Aloys-Wittrup-Straße – rechts in die Alpener Straße durch Millingen bis Alpen – weiter geradeaus auf die Rheinberger Straße – rechts in die Rathausstraße – rechts in die Haagstraße]
Aus Rheinberg ziehen wir wieder singend aus.
Nach dem Rosenkranzgebet werden zwei Lieder gesungen.
Vor der Mittagspause wird gemeinsam der Engel des Herrn gebetet.
Von Alpen bis Kapellen.
[der Haagstraße folgen – links in die Burgstraße – weiter geradeaus auf die Lindenallee – rechts in die Bönninghardter Straße – weiter rechts auf die Bönninghardter Straße durch Bönninghardt – links in die Hamber Sraße – rechts in den Grunewaldweg – rechts in den Strohweg – links in den Grunewaldweg – rechts in den Bruchheideweg – links in die Geldener Straße bis Kapellen – weiter geradeaus auf die Lange Straße]
Die Prozession versammelt sich nach der Pause hinter dem Kreuz an der Straßengabelung nach Bönninghardt.
Mit gemeinsamen Liedern setzen wir die Pilgerfahrt fort.
Nach dem Rosenkranzgebet weiter Lieder.
Durch die "Sandwüste" gehen wir zehn Minuten im Schweigemarsch. Danach ist Pause bis zur festen Straße nach Kapellen.
Vor Kapellen wird das Rosenkranzgebet unterbrochen, damit wir singend in Kapellen einziehen können. In Kapellen ist eine halbe Stunde Rast.
Von Kapellen bis Wetten.
[der Lange Straße folgen – weiter geradeaus Am Mühlenwasser – rechts in die Kapellener Straße bis nach Wette – links in die Hauptstraße]
Mit gemeinsamem Lied verlassen wir Kapellen.
Darauf beten wir den Rosenkranz. Zwischen jedem Rosenkranzgebet singen wir unsere Muttergotteslieder.
Von Wetten bis Kevelaer.
[der Hauptstraße folgen – rechts in die Marienstraße – weiter geraeaus auf die Wettener Straße bis nach Kevelaer – rechts in die Foldstraße – links in die Wettener Straße – links in die Bahnstraße – rechts in die Hauptstraße/ Gnadenkapelle]
Wenn wir singend das Dorf Wetten passiert haben wird der Pilgerrosenkranz gebetet:
Maria zu dir kommen wir, deine Hilf erbitten wir.
Am Krankenhaus in Kevelaer erwartet uns die Musikkapelle, diese stimmt bis zur Basilika die Lieder an. In der Basilika oder in der Kerzenkapelle wird zum Abschluss des ersten Teiles der Wallfahrt der Sakramentale Segen gegeben. Nach einem kurzen Dankgebet begeben sich die Pilger in ihre Quartiere.

Die Fußwallfahrt bis zum Ende der Franzosenzeit

Die Hamborner Fußwallfahrt nach Kevelaer entstand im Jahre 1780, im Zeitalter der Aufklärung, und damit in einem sehr ungünstigen Moment: Dem Zeitgeist nach war die Kirche nämlich nur noch eine Gesellschaftsbildung unter vielen, über welche der absolute Staat das Aufsichtsrecht beanspruchen konnte. Eine Gefahr für die staatliche Souveränität mussten die Aufklärer besonders in der katholischen Kirche erblicken, deren Oberhaupt eine ausländische Macht, der Papst in Rom, ist. Dessen Machtfülle, das kirchliche Lehramt, verpflichtende Dogmen, der Mysteriencharakter von Messopfer und Sakramenten, besonders auch das Wallfahrtswesen, stehen im stärksten Gegensatz zum aufklärerischen Religionsbegriff. Besonders dem beschaulichen Leben der Ordensleute, in dem man keinen Nutzen sah, sprach man jede Berechtigung ab und sah im freiwillig übernommenen Gehorsamsgelübde eine nicht tragbare Einschränkung der vollen persönlichen Freiheit. Der Aufklärer Friedrich Nicolai schrieb im Jahre 1781: "Die Werkheiligkeit und Pfafferey, die der katholischen Religion unauflöslich anhängt, ist Jahrhunderte lang immer mehr zu der Absicht gebildet worden, die Kräfte des menschlichen Verstandes zu unterdrücken." Über Gnadenbilder urteilte er, dass dorthin jährlich "viele tausend dummbigotte Menschen wallfahrten." Seine Polemik gipfelt in der Aussage, täglich werde "in katholischen Landen viele tausendmal ein Mehlkuchen vermeintlich in Gott verwandelt".
Ganz dem Zeitgeist entsprechend hatte der Kölner Erzbischof im Jahre 1784 das Verbot mehrtägiger Wallfahrten aus dem Jahre 1765 erneuert. Auswirkungen auf die Hamborner Fußwallfahrt nach Kevelaer sind allerdings nicht anzunehmen: Kevelaer gehörte zum Bistum Roermond. Hamborn lag zwar im Erzbistum Köln, nicht aber im Kölner Kurfürstentum. Und noch nicht einmal dort, wo der Kölner Erzbischof geistlicher Oberhirte und weltlicher Landesherr zugleich war, konnte er seine Vorstellungen in Bezug auf die Wallfahrten durchsetzen: Gegenüber den privaten Prozessionen ohne Priester war er ohnehin machtlos. Und auch manche Geistliche unterstützten den allgemeinen Widerstand gegen die Wallfahrtsgesetzgebung, obwohl sie dafür scharfe Verweise in Kauf nehmen mussten.
Am 14. Juli 1789 begann mit dem Sturm auf die Bastille die Französische Revolution. Die von ihr ausgelösten Veränderungen machten auch vor der Kirche nicht halt: Am 2. November 1789 wurde alles Kirchengut in Frankreich zum Nationaleigentum erklärt, am 13. Februar 1790 erfolgte die Aufhebung von 51 Bistümern und fast aller Ordensgemeinschaften. Seit 1792 kämpften die europäischen Mächte gegen die Verbreitung der revolutionären Ideen und die Expansion der französischen Republik, doch konnten sie nicht verhindern, dass sich das politische Gewicht zugunsten Frankreichs veränderte: 1794 besetzten die revolutionären Truppen den linken Niederrhein.

Am 2. April 1798 verbot die Zentralverwaltung des Roer-Departements, zu dem Kevelaer gehörte, alle kirchlichen Zeremonien außerhalb der Gotteshäuser. Es entbrannte ein jahrelanger Kampf gegen die "als von Priestern veranstaltete Narrenzüge und Ansammlungen des fanatischen Volkes" bezeichneten Prozessionen. Diese Maßnahmen führten natürlich zu einem Rückgang der Pilgerzahlen.
Im Frieden von Lunéville vom 9. Februar 1801 wurde das linke Rheinufer Bestandteil der französischen Republik. Der Konsularbeschluss vom 9. Juni 1802, alle geistlichen Kooperationen im neuen Staatsgebiet aufzuheben, erfasste auch das Oratorianer-Kloster in Kevelaer: Am 4. Juli 1802 wurde die Gnadenkapelle, die 1654 erbaut worden war und in der sich seitdem das Gnadenbild befand, geschlossen. Am Folgetag musste sie aufgrund einer Intervention der Nachbarpfarrei Goch unter dem Jubel der gerade in Kevelaer weilenden Pilger aus Amsterdam jedoch wieder geöffnet werden.
Der Wallfahrtsverkehr nach Kevelaer war durch die Maßnahmen der Franzosen nicht zum Erliegen gekommen. Vielmehr sahen sich die Pilger zu kleineren, unauffälligen Gruppenwallfahrten veranlasst. Über die Fußwallfahrt der Hamborner Katholiken existieren keine Aufzeichnungen. Jedoch ist anzunehmen, dass sie, wie die Prozessionen anderer Pfarreien, in kleinerem Rahmen weiterhin stattgefunden hat. Auch die Aufhebung der Prämonstratenser-Abtei Hamborn durch das 1806 als französischen Satellitenstaat gebildete Großherzogtum Berg hat der Fußwallfahrt keinen Abbruch getan: Vermutlich war die Wallfahrt ursprünglich zwar von den Prämonstratensern initiiert worden, wurde nun aber von der katholischen Bevölkerung Hamborns selbstständig weitergeführt.
1806 wurde die Gnadenkapelle in Kevelaer zusammen mit der Kerzenkapelle für den öffentlichen Gottesdienst wieder freigegeben. Marc Antoine Berdolet (1801-1809), der Bischof der 1801 neu geschaffenen Diözese Aachen, zu der Kevelaer inzwischen gehörte, hatte sich dafür persönlich beim französischen Kaiser eingesetzt und verstand es, dem Wallfahrtsort auch in Zukunft die Gunst Napoleons zu erhalten. Die Wallfahrt nah Kevelaer lebte wieder auf, besonders als das ehemalige Oratorianer-Kloster als Wohnung für Priester, welche die Betreuung der Pilger übernommen hatten, freigegeben wurde (heutiges so genanntes Priesterhaus). 1809 wurden bereits wieder 140.000 Pilger in Kevelaer gezählt. Im Jahre 1813 berichtete der Präfekt des Roer-Departments seinem Minister, dass die Kevelaer-Wallfahrt "weiterhin stark ist".

Die Wallfahrt in preußischer Zeit

1815 war Napoleons Macht endgültig gebrochen. Infolge der vom Wiener Kongress beschlossenen Neugestaltung der territorialen Verhältnisse Europas fiel das Rheinland erneut an Preußen.

Mit dem Abzug der Franzosen nahm die Zahl der Prozessionen nach Kevelaer wieder zu: Für 1815 meldeten sich 204 Gruppen an. Die Bedingungen für das Wallfahrtswesen dürften sich aber nicht wesentlich gebessert haben, da die preußische Verwaltung von aufgeklärten protestantischen Beamten bestimmt war. Man argwöhnte, dass "sich unter der Menge der Wallfahrer Deserteure und schlechtes Gesindel verstecken" und warf den Wallfahrten vor, "dass sie die Flucht vor Arbeit und Ordnung förderten, auf dem Wege zur Ungebundenheit und Leichtsinn führten, dass der Verdienstausfall und die Ausgaben für Verzehr zahllosen Familien schadeten". Sorgen machte man sich über Störungen, Unruhen, Missstände und den "Unfug" übernachtender Pilger, deren Ansammlungen in größerer Zahl man als Bedrohung der öffentlichen Sicherheit betrachtete. Da der "gemeine Mann an den Wallfahrten klebt" und eine Verbot in der ganzen Gegend eine "sehr ungünstige Stimmung gegen die preußische Regierung" erzeugen könnte, begnügte man sich jedoch mit einigen behördlichen Erschwernissen: übernachtende Wallfahrten mussten vom Ortspfarrer oder von einem vom Generalvikariat delegierten Priester geführt werden; die Pilger mussten in genauen Listen erfasst werden, aus denen sogar deren Lebensverhältnisse hervorgingen; jeder Prozessionsleiter musste im Besitz eines Passes sein. Auch der Erzbischof von Köln und der Bischof von Münster schlossen sich den staatlichen Verfügungen an und gingen gegen die Wallfahrten vor. Kontrollen und Schikanen führten dazu, dass die Menschen inoffiziell und privat nach Kevelaer zogen und zumindest nach außen, vor allem beim Durchzug durch Ortschaften, jedes Anzeichen und Merkmal einer offiziellen Prozession zu verbergen trachteten: So ging man in aufgelockerter Form durch Dörfer oder mied diese unter Benutzung von Feldwegen ganz, hielt dabei Fahnen, Kreuze und Brudermeisterstäbe versteckt und enthielt sich streckenweise jedes lauten Gebetes und Gesanges.
Erst der Besuch des späteren Königs Friedrich Wilhelm IV. (1840-1861) im Jahre 1833 in Kevelaer brachte eine Änderung: Wegen seines guten, persönlichen Eindrucks von der Wallfahrt beseitigte der Kronprinz die Passkontrollen für die Pilger und 1837 erlaubte auch der Kölner Erzbischof, später auch der Bischof von Münster, die Prozessionen wieder. Der Zustrom der Wallfahrer setzte sofort ein.
Ab 1837 kam es auch infolge der so genannten Kölner Wirren zu einem Aufblühen der Wallfahrt: Erzbischof Clemens August von Droste-Vischering (1836-1845) war nicht länger bereit, die behördlichen Einschränkungen des kirchlichen Lebens hinzunehmen. Besonders wandte er sich gegen die staatlichen Regelungen zum Umgang mit Mischehen, die im Widerspruch zum Kirchenrecht standen. Als er deswegen verhaftet und auf die Festung Minden gebracht wurde, kam es seitens der katholischen Bevölkerung zu zahlreichen Solidaritätsbekundungen für den zunächst bei Klerus und Volk sehr unbeliebten Erzbischof, zu einem erstarkenden katholischen Selbstbewusstsein und zu öffentlichen Demonstrationen des Glaubens. Auch die Kevelaer-Wallfahrt konnte sich eines erneuten Zulaufs erfreuen. Um den Anforderungen der Wallfahrt Genüge leisten zu können, wurde 1858 mit dem Bau der großen Wallfahrtskirche begonnen, die sechs Jahre später vollendet wurde.

Schwierigkeiten während des Kulturkampfes (ca. 1875-1890)

1862 zogen die Hamborner Fußwallfahrer gemeinsam mit der Rheinberger Kevelaer-Prozession, 863 gemeinsam mit Rheinberg, Dinslaken, Orsoy und Walsum.
Schwierigkeiten, die Wallfahrt nach Kevelaer aufrecht zu erhalten, gab es in den Jahren 1866 und 1870 aufgrund des deutsch-österreichischen beziehungsweise des deutsch-französischen Krieges. Außerdem grassierte damals die Cholera am Niederrhein. Die Zahl der Pilger ging zurück.
Einschneidendere Auswirkungen für die Wallfahrt nach Kevelaer ergaben sich aber aus dem Kulturkampf, als die preußische Staatsgewalt unter Führung Bismarcks die Katholiken aufgrund kirchenfeindlicher Gesetze und Verordnungen in Bedrängnis brachte: Das Priesterhaus in Kevelaer wurde geschlossen. 1875 verfügte die Regierung in Düsseldorf, dass Prozessionen einer polizeilichen Genehmigung bedurften. Davon ausgenommen waren nur Wallfahrten, die nachweislich bereits bei Erlass des preußischen Vereinsgesetzes von 1850 als "althergebracht" galten und seitdem nicht außer Übung gekommen waren.
Das Protokollbuch der Hamborner Fußpilger aus dem Jahre 1911 berichtet hierzu: "Diese Anordnung [des preußischen Staates] veranlasst die damaligen Brudermeister Höffken und Lünemann durch den Hochw[ürdigen] Herrn Pfarrer Klösges ein Berechtigungsschreiben auszustellen und vom Herrn Bürgermeister Klinge zu Beeck durch Namensunterschrift und Stempel beglaubigen zu lassen. Es bot den Pilgern das sichere Unterpfand, ungehindert weiterziehen zu dürfen. Nicht unerwartet in Kevelaer angelangt, wurde dieser Ausweis von der Polizei gefordert. Bei dessen Bonität konnte die Prozession nach Kevelaer hineinziehen. Und so zog für ferner alle Jahre die Prozession ohne Beanstandung."

Seit 1894 – zusätzliche Wallfahrten mit Zug und Bus

Mit der Entwicklung der Hamborner Industrie wuchs auch die Zahl der Katholiken. Die Geistlichen hatten daher beschlossen, neben der Fußwallfahrt auch eine Wallfahrt mit der Eisenbahn einzuführen. Im Jahre 1894 fuhr der erste Sonderzug mit Hamborner Pilgern nach Kevelaer. Die Zugwallfahrten dauerten immer zwei Tage.
Da die preußischen Behörden hinter jedem deutschen Katholiken und erst recht hinter jedem Polen einen Staatsfeind vermuteten, verboten sie polnische Sonderwallfahrten. Dennoch bildeten die Polen innerhalb der Hamborner Prozessionen mit ihren eigenen Liedern und Fahnen einen Sonderblock und hielten gelegentlich sogar ihre eigenen Gottesdienste mit polnischer Predigt. Im Jahre 1902 begleitete ein polnisch sprechender Geistlicher die vielen Polen bei der Zugwallfahrt nach Kevelaer, wurde daraufhin jedoch festgenommen, was zu einem rapiden Anstieg der Teilnehmerzahlen führte. Im Jahre 1906 stürmte die unerwartet hohe Zahl von 1.500 Pilgern den einzigen Sonderzug am Neumühler Bahnhof. 1908 wurden von den 1.400 Pilgern etwa 800 als Polen und 600 als Deutsche und Slowenen bezeichnet. Als die Polen im Jahre 1913 große Heiligenbilder in der Prozession mitführten, kam es zu Verärgerungen bei manchen deutschen Katholiken. Da die Polizei anschließend in einer Privatwohnung ein Bild beschlagnahmen wollte, schickten die Polen all diese Bilder in ihre Heimat und weigerten sich, an der nächsten Zugwallfahrt im Jahre 1914 teilzunehmen, was zu einem rapiden Einbruch der Teilnehmerzahlen führte.
An den Hamborner Zugwallfahrten nahmen inzwischen bis zu 3.000 Pilger teil, die deswegen in mehreren Fahrten an aufeinander folgenden Tagen durchgeführt werden mussten. 1913 fuhren vier Gruppen, 1914 waren es aufgrund des Fernbleibens der Polen und des Ersten Weltkrieges (1914-1918) nur noch drei Gruppen.
Zwischen den Geistlichen, welche die Zugpilger betreuten, und dem Vorstand der Fußpilger gab es von Anfang an Auseinandersetzungen über einen gemeinsamen Wallfahrtstermin. Die Zugwallfahrt fand wegen der großen Teilnehmerzahl stets an einem Sonntag statt, meist Ende Juli oder Ende August. Erst als die Fußpilger ab dem Jahre 1911 ihre Wallfahrt vom 7. bis 9. September auf das erste Wochenende nach Mariae Geburt (Samstag bis Montag) verlegten, konnte man sich gelegentlich auf einen gemeinsamen Wallfahrtstermin aller Hamborner Katholiken einigen.
Während der Weltkriege fand die Zugwallfahrt nicht statt. Nach dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945) fuhr erstmals am 12. September 1948 wieder ein Sonderzug mit Hamborner Pilgern nach Kevelaer. Bis 1953 wählte man als Termin für die Zugwallfahrt den gleichen Sonntag wie für die Fußpilger. Nach der Rückkehr zogen die einzelnen Pfarreien vom Hamborner Bahnhof aus in Prozessionen zu ihren Kirchen, wo der Sakramentale Segen erteilt wurde.
Ab 1954 ersetzte die eintägige Buswallfahrt an wechselnden Terminen die zweitägigen Zugwallfahrten. Anfangs beteiligten sich noch zwischen 700 und 1.100 Pilger, doch ab den 1960er Jahren gingen die Teilnehmerzahlen an den organisierten Buswallfahrten deutlich zurück. Neu entstanden dafür Wallfahrten mit Privatautos, Sonderwallfahrten einzelner Gruppen und Radwallfahrten Hamborner Jugendgruppen.
Seit 1980 findet die Buswallfahrt am Sonntag nach Mariae Geburt statt, so dass alle Hamborner Pilger einen gemeinsamen Tag an den Wallfahrtsstätten in Kevelaer verbringen können.

Der Wunsch nach einem eigenen Wallfahrtspriester (1911-1916)

Kaum war ab 1911 die Fußwallfahrt mit Rücksicht auf die Zugpilger auf das erste Wochenende nach Mariae Geburt verlegt, gab es ein neues Problem: In Orsoy war an diesem Wochenende Kirmes in allen Straß und die Prozession musste hindurch. Einige Pilger tanzten daher durstig "einmal aus der Reihe", woran andere Anstoß nahmen. Daher beschloss die Pilgerversammlung des Jahres 1911: "Die Pilger sollen gegenseitig scharfes Augenmerk halten, daß das Mittragen gefüllter Schnapsflaschen unterbleibe und daß es für denjenigen, welcher hierzu ein Bedürfnis fühlt, besser ist, für diese Zeit dem Fußpilger gänzlich aus dem Wege zu gehen, wodurch der Mann seine Leidenschaft in eigener Person zu verantworten hat."
Schon seit vielen Jahren hatten sich die Fußpilger einen Geistlichen gewünscht, der die Wallfahrt begleiten sollte. Der Hamborner Pfarrer, Prälat Heinrich Laakmann, hatte diese Bitte jedoch stets abgelehnt. Ihn ärgerte nämlich, dass er kaum Einfluss auf die von Laien organisierte Fußwallfahrt ausüben konnte. Nach den Vorfällen in Orsoy hatte er nun ein neues Argument gegen die Fußpilger und sprach nur noch von der "Püllekesprozession", an der natürlich kein Geistlicher teilnehmen könne.
Im Frühjahr 1915 fuhr der Schriftführer der Fußpilger daher zum Bischof von Münster, um ihn um einen Geistlichen zu bitten, der die Prozession begleitete. Das Generalvikariat hatte aber inzwischen Rücksprache mit Prälat Laakmann genommen und verlangte schließlich, dass die Fußpilger sich dem Termin der Zugpilger anpassen sollten, um einen eigenen Wallfahrtspriester zu erhalten.
Damit kam es zum offenen Bruch der Fußpilgerschaft in zwei Gruppen: 64 Wallfahrer führten ihre Prozession am 30. Juli 1915 bei sommerlicher Hitze durch, verbrachten den Sonntag gemeinsam mit den Zugpilgern in Kevelaer und bekamen Kaplan Pilz als geistlichen Begleiter. Die Masse der Fußpilger hielt jedoch am traditionellen Termin fest, musste dafür aber ohne Heilige Messe und Segen durch Prälat Laakmann ziehen. Auch unterwegs und in Kevelaer selbst wurden ihnen von den über den Streit informierten Pfarrern bis auf die Heilige Messe vor dem Rückweg am Montag gemeinsame Gottesdienste verweigert.
Die Aufspaltung der Fußwallfahrt in zwei Gruppen war auf Dauer natürlich nicht haltbar. Im Jahre 1916 versöhnte man sich, so dass seitdem bei jeder Fußwallfahrt ein Wallfahrtspriester am Wochenende nach Mariae Geburt mitzieht.

Erster Weltkrieg und Weimarer Republik

Den Ersten Weltkrieg (1914-1918) hatte die Hamborner Fußwallfahrt unbeschadet überstanden: 1914 nahmen 500 Pilger teil, zu denen sich 30 Radpilger gesellten. Wegen des Krieges sank die Zahl im Jahre 1917 auf 225 Pilger. 1918 waren es bereits wieder 500 Pilger.
Nach dem Krieg war die linke Rheinseite von Belgien besetzt. Da es in dieser Zeit verboten war, dass Prozessionen über den Rhein durch das besetzte Gebiet nach Kevelaer kamen, konnte im Jahre 1919 keine offizielle Prozession stattfinden. Auch 1920 fiel die Fußwallfahrt aufgrund bürgerkriegsähnlicher Unruhen aus. Es liegt die Vermutung nahe, dass man sich in diesen beiden Jahren privat organisierte und die Fußwallfahrt einzeln oder in kleinen Gruppen vollzog, wie dies schon in allen Krisenzeiten zuvor der Fall gewesen war. Ab 1921 konnte die Fußwallfahrt wieder ungehindert stattfinden, auch während der Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen im Jahre 1923. In diesem Jahr, das besonders auch von der Inflation geprägt war, bestand die Prozession aus 600 Pilgern.
Im Jahre 1930 fand am traditionellen Termin der Fußwallfahrt die Reichstagswahl statt. Deswegen hatten sich Fuß- und Zugpilger rechtzeitig darauf verständigt, die Wallfahrt vom 14.September 1930 auf den 21. September 1930 zu verlegen. Anlässlich des 150 jährigen Bestehens der Fußwallfahrt Hamborn-Kevelaer, das in diesem Jahr gefeiert wurde, kauften die Fußpilger eine neue Fahne, die vor Beginn der Prozession während der Pilgermesse in der Abteikirche geweiht wurde. 360 Pilger zogen daraufhin zu Fuß nach Kevelaer. Am Sonntagmorgen stießen die Zugpilger hinzu und nach der Lichterprozession am Abend zog man gemeinsam vor das Priesterhaus, um dem dort weilenden Bischof von Münster, Johannes Poggenburg (1913-1933), mit dem Lied "Fest soll mein Taufbund immer stehen" die Treue zur Kirche in der Zeit des erstarkenden Nationalsozialismus zu bekunden. Bei der Rückkehr am Montag wurde die Prozession an der Walsumer Anlegestelle der Rheinfähre von vielen begrüßt und mit einer Musikkapelle zur Abteikirche nach Hamborn geleitet. Alle Walsumer und Marxloher Glocken läteten beim Vorbeiziehen. Besonders die hohe Zahl jugendlicher Teilnehmer fiel in diesem Jahr großer Arbeitslosigkeit auf.

1934 – Demonstration des Glaubens

Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler und den Nationalsozialisten die Macht in Deutschland übergeben. Um den Parteiorganen keinerlei Vorwand für die Behinderung der Fußwallfahrt zu bieten, achtete der Vorstand seitdem besonders darauf, dass sich die Prozession in musterhafter Ordnung nach Weisung der Brudermeister verhielt und duldete auch keine eigentlich verbotenen Sammlungen für die Zwecke der Fußwallfahrt, die einige wohlmeinende Pilger in privater Initiative organisiert hatten. Damit wurde es zunehmend schwieriger, das erforderliche Geld für die Pilgerfahrt aufzubringen. Auch die Werbung um Teilnehmer an der Fußwallfahrt konnte nur noch von Person zu Person geschehen, da es keine öffentliche Berichterstattung mehr gab. Das Zeigen von Wimpeln und Fahnen wurde vom nationalsozialistischen Regime bald ebenfalls verboten.
Rekordzahlen erreichte die Wallfahrt im Jahre 1934. Am Sonntag, dem 9. September 1934, hatten sich neben den Pilgern aus Hamborn auch die marianischen Jungfrauen-Kongregationen des Niederrheins zu ihrer zentralen Wallfahrt in Kevelaer eingefunden sowie Fuß- und Zugpilger aus Duisburg-Mitte, Duisburg-Süd und Münster. Gegen Mittag traf auch der Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen (1933-1946), ein. Sofort versammelten sich rund 30.000 Jugendliche auf dem Kapellenplatz, bekundeten ihm die Treue und sangen als Demonstration gegen Adolf Hitler und die Nationalsozialisten, dass Gott der wirkliche Herr auch ihrer Zeit sei.
Am Abend, als die gemeinsame traditionelle Lichterprozession aller Pilger stattfand, kam plötzlich der Ruf auf "Wir wollen unsern Bischof sehen!". Innerhalb kurzer Zeit hatten sich 50.000 Menschen mit brennenden Kerzen in der Hand auf dem Kapellenplatz versammelt, die immer wieder nach dem Bischof verlangten. Dieser erschien schließch am Fenster des Priesterhauses und sprach von der Not der Zeit. Mit der Erteilung des bischöflichen Segens ging diese spontan aus der Menge entstandene Kundgebung zu Ende, welche die bis zu diesem Zeitpunkt größte Zusammenkunft von Pilgern in Kevelaer war.

Zweiter Weltkrieg

Nachdem am 1. September 1939 mit dem Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg begann, stimmte die Pilgerversammlung am 3.September 1939 dem Antrag des Vorstandes vom 31. August 1939 zu: "Mit Rücksicht auf die drohende Kriegsgefahr wird die Wallfahrt auf eine günstigere Zeit verschoben. Der Vorstand ist nicht in der Lage, die Verantwortung für die Gefahren und kriegerischen Ereignisse während der Wallfahrt zu %uuml;bernehmen, zumal auch nicht feststeht, ob der Einzug in militärische Sperrzonen gestattet wird."
Zwar konnte die gemeinsame Fußpilgerprozession nicht stattfinden, aber dennoch zog bereits 1939 eine kleine, private Gruppe nach Kevelaer. Aus der Pfarrei St. Johann waren dies unter anderem der Küster und Organist der Abteikirche, Clemens Liesen, sowie Josef Illerhaus. Die Wege blieben gleich, nur traf man vermehrt auf Soldatentruppen, die Richtung Westen unterwegs waren. Kompliziert war die Verpflegung: Nur gegen Abgabe von Lebensmittelkarten war das Essen möglich. Doch viele Bewohner der durchpilgerten Dörfer gaben den Wallfahrern Butterbrote, Milch, Eier und Obst mit.
Von 1940 bis 1944 waren die Pilgerfahrten fast lebensgefährlich: Vor Tieffliegern musste in Straßengräben Deckung gesucht werden, doch nie kam jemand zu Schaden. Die Verpflegung wurde zunehmend schwieriger und musste unterwegs bei den Bauern geschehen: Manchmal wurden Bonbons gegen Speckbutterbrote getauscht, manchmal bekam man sie auch geschenkt.
Eine Pilgerin, die mit 25 anderen Teilnehmern die Fußwallfahrt durchführte, hatte rechtzeitig Brotgetreide gesät und vor der Fußwallfahrt geerntet, gemahlen und gebacken. Nun versorgte sie unterwegs hungrige Mitpilger.
Als besonders freigebig wurden die Bauern von Kapellen gelobt, die Wannen voller Schinken- und Wurstbrote sowie Obst verteilten.
Auch Pfarrer Mott aus Bönninghardt hat stets für die Pilger gesorgt, indem er ihnen auf dem Rückweg von Kevelaer Lebensmittel mitgab und sie segnete. Im der Bönninghardter Kirche gegenüber liegenden Heidehof kehrte die Gruppe um Clemens Liesen anschließend stets ein, um Wacholder zu trinken. Diese Tradition wird in Erinnerung an die Pilger, die während des Zweiten Weltkriegs die Fußwallfahrt Hamborn-Kevelaer aufrecht hielten, bis heute gepflegt.

Die Fußwallfahrt nach 1945

Nach Kriegsende am 8. Mai 1945 konnte vom 8. bis 10. September 1945 mit Genehmigung der Militärregierung erstmals wieder eine offizielle Fußwallfahrt stattfinden, an der 64 Pilger teilnahmen. 1946 waren es 191 Teilnehmer und 1947 bereits 217
In den Nachkriegsjahren war die Fußwallfahrt noch wesentlich erschwert: Die Pferdefuhrwerke gab es nicht mehr, der begleitende Autobus fehlte zunächst noch. Später musste eigens um Fahrerlaubnis angefragt und Bezugsscheine für Treibstoff beschafft werden. Die Pilger hatten zur Fußwallfahrt Kaffeepulver und Tassen selbst mitzubringen, da die Gasthäuser unterwegs oft nur heißes Wasser zur Verfügung stellen konnten. Von vielen Bewohnern der durchpilgerten Dörfer bekamen sie Butterbrote und Obst geschenkt
Mit der Währungsreform im Juni 1948 stabilisierte sich die Lage schnell. Die Pilger hatten wieder feste Raststätten und die Verpflegung war ausreichend gewährleistet. Nun trat die innere Ausgestaltung der Fußwallfahrt in den Vordergrund. Man experimentierte mit neuen Liedern anstelle der vielen Rosenkränze, die bisher vorgeschrieben waren. Manchem Pilger fiel es schwer, von der lieb gewordenen Form Abschied zu nehmen. Eine gewisse Übereinstimmung war beim Druck des neuen Pilgerbuchs im Jahr 1955 erreicht.
Anlässlich des 175-jährigen Bestehens der Hamborner Fußwallfahrt nach Kevelaer im Jahre 1955 nahm der Münsteraner Weihbischof Heinrich Baaken an verschiedenen Gottesdiensten der Pilger teil und zelebrierte am 11. September 1955 ein Pontifikalamt in Kevelaer. Er war von 1923 bis 1946 Seelsorger in Hamborn und erster Rektor von St. Franziskus gewesen und 1924, 1928 und 1936 selbst als Wallfahrtspriester mitgepilgert. Bei seiner Predigt an der 12. Station des Kreuzweges sagte er: "Tausende sind gekommen und wieder gegangen, aber die Idee der Fußpilgerschaft von Hamborn ist geblieben und wird auch in Zukunft weiter bestehen!"
Nach heftiger Kontroverse beschloss die Pilgerversammlung im Jahre 1955, zwischen Wetten und Kapellen auf dem Rückweg ein "frischfröhliches" Wanderlied zu singen. Aus diesem einen Lied sind inzwischen mehrere geworden, welche gerade die vielen jugendlichen Pilger nicht missen möchten.
Seit dem 29. Mai 1959 sind wieder Prämonstratenser in Hamborn tätig und setzen die Tradition der alten, 1806 aufgehobenen Abtei fort. Am 24. August 1959 wurden sie durch den Essener Bischof Dr. Franz Hengsbach (1958-1991) offiziell eingeführt und beteiligten sich seitdem auch wieder an der Fußwallfahrt nach Kevelaer, die vermutlich einst von ihren Mitbrüdern initiiert worden war.
1980 feierte man das 200-jährige Bestehen der Fußwallfahrt. 370 Pilger hatten sich am Samstag, dem 13. September 1980, auf den Weg gemacht.
Am Sonntagmorgen versammelten sich die Pilger im Kreuzgang-Innenhof des Provinzialates der Clemens-Schwestern auf der Sonnenstraße in Kevelaer, wo der Hamborner Dechant Wilhelm Schnieder einen Empfang gab, gestaltet vom Jugendchor der Abteikriche unter Leitung von Pater Andreas. Die Festansprache hielt Pater Ludger, der auch eine 20-seitige Festschrift erstellt hatte. Im Laufe des Tages kamen 750 Pilger mit Bussen und ungefähr 400 Pilger mit Privatwagen dazu, so dass am Abend mehr als 1.500 Hamborner ein gemeinsames feierliches Pontifikalamt mit dem Essener Weihbischof Wolfgang Große feiern konnten. Der Kirchenchor von St. Paul sang dazu die Messe in G-Dur von Franz Schubert. Eine lange Lichterprozession beendete den Tag in Kevelaer.
Am Montagmorgen traten 120 Fußpilger den Rückweg an. In der Abteikirche wurden sie gegen 18.00 Uhr empfangen und erhielten den Sakramentalen Segen.

Entnommen aus der Festschrift zur Jubiläumswallfahrt vom 11. bis 13 September 2004, von Florian Uwe Becker OPraem